Liebe Leserin,
lieber Leser,
„…mit Geduld und Spucke fängt man eine Mucke.“, heißt es im Sprichwort. Schon probiert? Eine Mucke mit Geduld und Spucke fangen? Oder dann doch die Fliegenklatsche, Spray oder so einen blaulichtigen Insektengriller.
Spucke hätten die meisten, – aber Geduld – da haberts. Wir wollen das gleich erledigt haben.
In Hermann Hesses Siddharta antwortet der Mönch auf die Frage, was er besonderes kann:
Ich kann warten, fasten und beten.
Beten – sich an Gott fest machen – das ist nachvollziehbar.
Fasten – sich nicht drängen lassen von den Dingen und vom eigenen Verlangen – da wird es schon schwieriger – gerade jetzt im Advent, der ja eigentlich Fastenzeit ist.
Warten – also Geduld haben – das ist in unserer Zeit ein seltenes Gut. Wir leben anders. Performance ist unser Zauberwort – Zeit und Selbstoptimierung. Das Input-Output-Verhältnis wird ständig gesteigert – wir leben modern beschleunigt – wenn möglich auf der Überholspur, in Echtzeit und Gleichzeit. Am liebsten multiplizieren wir uns und selbst, Multitasking – alles auf einmal machen – Quadcore für das Hirn – bis es abraucht und die beschleunigte Herzpumpe im Brustkorb ihren Kolbenfresser hat. Wir leben erbarmungslos ungeduldig – schneller – größer – fetter – stärker – auch besser?
Wachsen und Heilen braucht Zeit. Man sagt: Ein Schnupfen braucht etwa 7 Tage. Mit dem Versuch die Zeit mit Medikamenten abzukürzen braucht er eine Woche.
„So seid nun geduldig,
bis zum Kommen des Herrn.
Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde
und ist dabei geduldig.Seid auch ihr geduldig
und stärkt eure Herzen;
denn das Kommen des Herrn
ist nahe.“ aus Jakobus 5,7-8
Warten können im Advent, wenn es schon seit 8 Wochen Lebkuchen gibt?
„Seid geduldig und macht euer Herz fest.“
Das könnte der Schlüssel zu einer Erwartung sein, die auf das Ziel zulebt, ohne die Gegenwart zu vernachlässigen: Festmachen an Jesus, der ja das große Weihnachtsgeschenk ist. Meinen Anker auswerfen.
Und von dieser festen Verbindung aus eine bleibende Leidenschaft entwickeln, die sich auf ein Leben in der Nähe Gottes freut. Und zugleich eine bleibende Leidenschaft, die ganz hier lebt: die sät, auf Regen wartet und erntet. Diese bleibende Leidenschaft wächst, wenn unser Lebensrhythmus von Gott prägen lassen.
Nehmen wir uns die Zeit dafür?
Wenn Menschen warten, dann brauchen sie einen Anreiz. Als der Jakobusbrief geschrieben wurde, gab es diesen Anreiz: Man wartete auf das Kommen Gottes, sein kommendes Reich. Dass endlich Gerechtigkeit und Friede in der Welt hergestellt werden. Dass alles, was uns das Leben schwer macht, keine Kraft mehr hat.
Im Advent versuchen wir, dieses Warten der ersten Christen nachzuvollziehen und erfahren: Jedes Jahr lohnt es, geduldig zu sein, denn Weihnachten kommt bestimmt. Und mit Weihnachten die Hoffnung auf eine bessere Welt. Auf ein Ende unsrer Furcht. Auf ein Ende der zwischenmenschlichen Probleme, des Streits mit Partner, Kindern, Kollegen. Auf ein Ende dessen, was das Alltagsleben manchmal so anstrengend macht.
Darauf macht Weihnachten uns jedes Jahr Hoffnung. Und jedes Jahr im Advent gibt es auch das Warten mit den Türchen im Adventskalender, mit den vier Kerzen an unserem Adventskranz, mit dem Plätzchenbacken und all dem anderen, was dazugehört.
Das Warten ist also unter uns.
Und es konzentriert sich auf das Kommen Gottes in die Welt. Weihnachten ist der Zielpunkt.
Warten können im Advent?
Vielleicht ein wenig bewusster, ein wenig nachdenklicher, ein wenig ruhiger – und dann erleben: Gott kommt. Es wird wieder Weihnachten in und für die Welt – und auch in mir.
Gottes Segen in der Advents- und Weihnachtszeit wünscht
Stefan Lipfert, Pfr.