Alle Jahre wieder

Liebe Leserin,
lieber Leser,

als meine Mutter vor einigen Jahren noch als Förderschullehrerin unterrichtete, stand in der ersten Klasse die Kreuzigung Jesu auf dem Programm. Eindrücklich erzählte sie die Geschichten von Jesus Einzug in Jerusalem und vom letzten Abendmahl. Als schließlich klar wurde, dass die Sache für Jesus mit dem Tod enden würde, fing ein Mädchen laut zu weinen an und vergrub den Kopf im Schoß der Lehrerin – die Auferstehung wurde dann schnell vorgezogen …

In Tränen bricht kaum jemand aus, wenn am Karfreitag das Evangelium von der Kreuzigung Jesu verlesen wird: 

Sie nahmen ihn aber, und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.
(…)
Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.
Joh 19,16b-18.28-30

Dass diese Botschaft den wenigsten von uns die Tränen in die Augen treibt, liegt sicherlich zum einen daran, dass wir die Geschichte schon dutzende Male gehört haben. Auch Karfreitag wird es „alle Jahre wieder.“
Zum anderen wird es auch „alle Jahre wieder“ Ostern. Wir kennen das Ende der Geschichte. Wir wissen, dass Jesus den Tod überwindet und aufersteht – gut so! Aber gleichzeitig gilt: Wenn man Geschichten immer und immer wieder hört, verlieren sie ihre Eindrücklichkeit. Es kann sein wie bei einem Film, den man schon etliche Mal gesehen hat – wer das glückliche Ende kennt, fiebert nicht mehr mit wie beim ersten Mal. 

Aber muss das so sein? Vielleicht gibt es für Sie ein Buch, das Sie schon hundert Mal gelesen haben – das Sie aber doch immer wieder neu berührt. Vielleicht gibt es einen Film, den Sie schon auswendig mitsprechen können – und bei dem Sie dennoch immer wieder neu mitfiebern. 

Wir wissen, dass Jesus am dritten Tag auferstanden ist – und gehen dennoch jedes Jahr aufs Neue durch die Karwoche. Wir denken an Jesu Leiden und Sterben. Wir räumen den Altar am Karfreitag leer, wir lassen die Glocken bis zum Ostersonntag schweigen. Aus gutem Grund.

Denn der Tod Christi am Kreuz wird durch die Auferstehung nicht einfach bedeutungslos. 

Wir lesen in den Evangelien, dass Jesus seinen Tod erwartete, lange bevor er in Jerusalem einzog. Und wir lesen auch, dass er von seiner Auferstehung wusste:

31 Und Jesus fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
Mk 8,31

Jesus kennt – wie wir – das Ende der Geschichte. Er weiß, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird – und dennoch kann er diesen Weg nicht gelassen und ohne Angst gehen. Im Garten Gethsemane weint er bitterlich, er bittet Gott, den bitteren Kelch vorüberziehen zu lassen. Am Kreuz ruft er nicht nur das erhabene „Es ist vollbracht“, sondern auch das menschlich leidende „Mich dürstet.“ 

Als Christinnen und Christen haben wir die Hoffnung, dass auch in unserem Leben der Tod nicht das letzte Wort haben wird. Dass die Auferstehung auch uns gilt, dass wir am Ende bei Gott sein dürfen, dass der Film unseres Lebens spätestens nach dem Abspann noch ein gutes Ende findet. Aber macht uns das wirklich frei von Angst? Macht das die Kriege, die Krankheiten, die Katastrophen, die großen und die kleinen Krisen weniger real? 

Als Christinnen und Christen sind wir nicht weniger betroffen vom Leid, das uns und andere betrifft. Erfahrungen von Angst und Bilder von unfassbarem Leid sind für mich eine heftige Anfechtung im Glauben an einen Gott, der es gut mit uns meint. Uns bleiben diese Anfechtungen nicht erspart, so wie Jesus, der noch am Kreuz rief: „Herr, Herr, warum hast du mich verlassen?“ Und als Jesus sich nach der Auferstehung seinen Jüngerinnen und Jüngern zeigt, da befinden sich die Wundmale noch in seinen Händen – er trägt auch als Auferstandener den Tod am Leib. 

Weil Leid und Tod mit Jesu Auferstehung nicht aus der Welt gewichen sind, kann man Jesu Leidensweg im Kirchenjahr nicht einfach überspringen. 

Noch einmal: Als Christinnen und Christen stehen wir nicht über Tod und Leid – dafür steht der Karfreitag. Aber wir haben vom guten Ende der Geschichte gehört und dürfen es auch für uns erwarten. 

Eine besinnliche Passionszeit und frohe Ostern wünscht

Severin Wagner, Vikar

 

Tageslosung

Tageslosung vom
28.04.2024
4. SONNTAG NACH OSTERN - KANTATE (Singet dem HERRN ein neues Lied! Psalm 98,1)
Erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.
Gott hat Jesus Christus erhöht und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Redaktionsschluss Kiliansbote

Der Redaktionsschluss für den nächsten Kiliansboten ist am 13.05.2024.
Beiträge nimmt bis dahin Tanja Friedrich per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) entgegen.

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