Liebe Leserin, lieber Leser,
Weihnachten steht vor der Tür! Wirklich?
Ist das Weihnachten, was im Advent bei uns ankommt und schließlich vor der Tür steht? Was und wer begegnen uns eigentlich, wenn wir in diesen Tagen bis zum Heiligen Abend vor die Tür treten oder gar in die Stadt fahren?
Nun, was unweigerlich und ungefragt alle Jahre wieder vor der Tür steht, ist eine Invasion von rotbezipfelten, bärtigen Männern, die viel zu gequält aus allen Medien grinsen.
Was vor der Tür steht, ist eine Flut von schrill bedrucktem Papier, das meist ungelesen den Weg in die blaue Tonne findet.
Was vor der Tür steht ist der Kassenzettel, der heuer noch schneller das Weihnachtsgeld aufzehrt und von der Teuerungsrate der letzten Monate kündet.
Was vor der Tür steht, ist der beginnende Wahlkampf um die politische Ausrichtung des Landes – vermutlich auch mit Zipfelmütze, diesmal aber die des deutschen Michels.
Was uns in den Advent begleitet sind die erschreckenden Nachrichten zur Wirtschaft im Land und die Bilder aus den Krisengebieten dieser Erde, die alles andere als Frieden aufzeigen.
Was vor der Tür steht, sind zu Engeln stilisierte Kinder, marktgerecht ausstaffiert zum umsatzsteigenden Schweben angehalten.
Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an.
Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir.Offenbarung 3,20
Was vor der Tür steht, sind Berge von Weihnachtsplastiktkitsch, selbstspielend batteriebetrieben und Bisphenol A (BPA) verströmend.
Was vor der Tür steht, ist einlullendes Weihnachtsgedudel aus der Musikkonserve, Elektronikbrei, der aus „Lautbrechern“ an vielen Konsumstätten ins Ohr sabbert.
Was für den Leib vor der Tür sieht ist oft zu süß, zu fett, mit Farbstoffen und Chemie vermanscht und alles andere als nachhaltig und fair produziert.
Was vor der Tür steht, ist die verbogene und zugewichtelte Weihnachtsgeschichte vom blonden Christkind, das die guten belohnt - das sind immer wir selbst! - und die bösen bestraft - natürlich die anderen!
Was vor der Tür steht, erscheint oft so weit weg von Gott und seiner geweihten Nacht!
Dennoch: Wer sicher vor der Tür steht, und das nicht nur zur Jahresendzeit, ist der lebendige Gott, der uns Menschen nahe ist gerade in unseren Brüchen und Verletzungen, Wünschen und Bedürfnissen. Wer uns begegnen will, ist Gott, der - so erzählt es die Bibel - ganz einfach geboren wird, sich einfach kleidet und den Menschen Würde schenkt.
Bei vielen bleibt er leider draußen vor der Tür. In den Tempeln der Lüge und Selbstbeweihräucherung findet er keinen Platz.
Er ist nahe, wo sich Menschen Sorgen machen um ihre Zukunft, wo sie einander tragen, wärmen und sich um den Nächsten kümmern.
Er wandert auch durch unsere Einkaufsstädte und Amtsstuben, allerdings oft in der unvorhergesehenen Richtung, denn in den festgefügten Systemen liebt er den Skandal, die heilsame Unterbrechung, den Riss durch den frische Luft und Licht strömen kann.
Er will mit seiner Liebe in der ganzen Welt und im Herzen jedes Menschen wohnen.
Er spricht durch jene, die die Wahrheit sagen, er handelt durch jene, die Barmherzigkeit leben und teilt so sein Brot mit den Armen der Erde.
Er heißt „Heiland”, „Kraft”, „Mut”, „Hingabe”, „Zärtlichkeit” und „Leidenschaft“.
Er befreit, rettet und bewahrt.
Er ist uns erschienen in dem einen Menschen Jesus Christus, geboren von Maria in einem Stall zu Bethlehem.
Es ist der Heiland, der vor unserer Türe steht. Und wer ihn und seine Art, das Leben zu lieben, bei sich aufnimmt, der wird ein Gotteskind.
Es ist Gott selbst, der vor der Türe steht. Wer ihm sein Herz öffnet, dessen Leben verwandelt er in ein Weihnachtsfest, in das Fest seines Kommens und Friedens.
Nicht irgendeine Weihnachtszeit - das fröhliche Weihnachten unseres Gottes steht vor der Tür!
Und das wünsche ich Ihnen.
Ihr Stefan Lipfert, Pfarrer