Von der Kunst des Weglassens

Liebe Leserin,
Lieber Leser,

Weglassen ist eine alte Kunst, die heute nach wie vor in vielen Zusammenhängen angesagt ist. Weglassen ist angesagt, wenn es um das Entwickeln nachhaltiger Formen des Wirtschaftens geht, wenn man aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen für eine Zeit lang auf etwas verzichtet, wenn man sich in der Kunst oder bei der Einrichtung seiner Wohnung in Minimalismus übt.

Die Kunst des Weglassens kommt auch beim Erzählen gern zum Einsatz. Bewusst werden Leerstellen gelassen, um der Fantasie der Hörerinnen und Hörer Raum zu geben, oder um klarer hervortreten zu lassen, worum es eigentlich geht. Jesus beherrscht diese Kunst meisterhaft in seinen Gleichnissen: Kein Wort wird da für unnötige Beschreibungen verschwendet. Das, was erzählt wird, erhält so erst sein volles Gewicht.

Auch in den Evangelien der Bibel wird die Kunst des Weglassens eifrig praktiziert. Welche Spiele spielte Jesus als Kind? Wie war seine Jugendzeit? Wie sah er aus, wie klang seine Stimme? Wie war sein Verhältnis zu seinem Vater Josef, und wo steckte dieser Vater überhaupt, als Jesus am Kreuz hing? Von all dem und vielem mehr berichten die Evangelien wenig bis gar nichts, es war den Autoren offenbar nicht wichtig. Alles konzentriert sich auf das öffentliche Auftreten des Mannes aus Nazareth und seinen Weg ans Kreuz. Markus und Johannes kommen sogar ganz ohne eine Geburtsgeschichte Jesu aus.

Was wichtig ist und was weg kann, das muss mit Augenmaß entschieden werden – und liegt oft im Auge des Betrachters. Bei der Auferstehung scheint der Fall aber klar zu sein: Die kann man doch offensichtlich nicht weglassen. Ohne den Glauben an die Auferweckung Jesu wäre der Mann aus Nazareth vermutlich eine winzige Fußnote der Weltgeschichte geblieben. Die, die Jesus nachfolgten, wären ohne diesen Glauben vermutlich resigniert in ihre Berufe zurückgekehrt. Paulus hätte sich nie auf den Weg gemacht. Das Osterfest wäre nie eingeführt worden. Ohne den Glauben an die Auferweckung, so schreibt Paulus an seine Gemeinde in Korinth, wäre der Glaube an Christus und die Predigt von ihm vergeblich, überflüssig, man könnte sich den ganzen Aufwand im Grunde sparen (vgl. 1 Kor 15,14). Also: Die Auferstehung kann man nicht weglassen. Oder?

Schlägt man die Lutherbibel auf, so findet man in allen vier Evangelien Abschnitte mit der Zwischenüberschrift „Jesu Auferstehung“. Was man dann darunter lesen kann, ist jedoch genau genommen nicht das, was die Überschrift verspricht: Das leere Grab klafft am dritten Tag einfach als vollendete Tatsache vor den Jüngerinnen und Jüngern, und ebenso vor den Leserinnen und Lesern. Freilich, die Erklärung, dass Jesus auferweckt wurde, wird schnell nachgeschoben – aber wie das ausgesehen haben soll, ob es laut oder leise vonstattengegangen sein mag, darüber wird kein Wort verloren. Übrigens auch nirgends sonst in der Bibel! All das wird einfach weggelassen – und das wohl nicht nur, weil es eben zufällig niemand mitbekommen hat. Augenzeuginnen und Augenzeugen fehlen auch für andere Erzählungen in den Evangelien, wie etwa Jesu Gebet im Garten Gethsemane.

Wie hätte man doch die Auferstehung literarisch ausgestalten können! Welche „Special Effects“ hätte etwa Matthäus auffahren können, der beim Tod Jesu mit Effekten nicht gegeizt hat (vgl. Mt 27,52f.). In welch bunten und glorreichen Farben hätte man dieses Ereignis schildern können, wie es etwa Matthias Grünewald in seinem Auferstehungsgemälde tut, wie es frühchristliche Autoren in nichtbiblischen Evangelien taten. Alles in dem Bedürfnis, diesen zentralen Aspekt des christlichen Glaubens irgendwie griffiger zu machen.

Die Evangelisten der Bibel haben dieser Versuchung widerstanden, trotz der störenden Gerüchte, Jesu Leichnam sei schlicht gestohlen worden (vgl. Mt 28,13). Sie hatten es nicht nötig, in Worte zu kleiden, was sich jeder Beschreibung entzieht. Sie brauchten keine cineastische Ausgestaltung der Auferstehung, es reichte ihnen die Perspektive der Jüngerinnen und Jünger und ihre Erlebnisse mit dem Auferstandenen.

Ich möchte den Autoren der Evangelien danken: Danke, ihr Evangelisten, dass ihr das Geschehnis der Auferstehung das habt bleiben lassen, was es ist: Ein Geheimnis, das man  nicht mit der Kameralinse, nicht mit szenischen Beschreibungen, nicht mit Ölgemälden festnageln kann, sondern dem man sich am Besten in der gläubigen Begegnung mit dem Auferstandenen annähert.

Severin Wagner, Vikar

14 Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. (...)
20 Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

(aus dem 1. Korintherbrief, Kapitel 15)

Tageslosung

Tageslosung vom
15.05.2024
HERR, sei unser Arm alle Morgen, ja, unser Heil zur Zeit der Trübsal!
Wer sind diese, die mit den weißen Kleidern angetan sind, und woher sind sie gekommen? Diese sind’s, die aus der großen Trübsal kommen und haben ihre Kleider gewaschen und haben sie hell gemacht im Blut des Lammes. Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten.

Redaktionsschluss Kiliansbote

Der Redaktionsschluss für den nächsten Kiliansboten ist am 15.07.2024.
Beiträge nimmt bis dahin Tanja Friedrich per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) entgegen.

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