Gedanken zur Jahreslosung

© unsplash.com/@kallyua / fundus-medien.de

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Du bist ein Gott, der mich sieht!“
(1. Mose 16,13)

lautet die Jahreslosung 2023

Als Kind hätte mich der Satz eher erschreckt. Ich gehöre noch zu der Generation, die einer spezifischen Gottesvergiftung ausgesetzt war. 

Das Gift wurde mit einem spitzen Satz in Herz und Hirn gespritzt: „Der liebe Gott sieht es fei!“ so wurde ich belehrt, wenn ich nicht „artig“ war. 

Gott sieht alles und er sieht dich. Du kannst seinem Anblick nicht entfliehen, kannst dich nicht vor ihm verstecken. „Big brother is watching you“ hieß es dann später in der Jugendzeit. Das Gift aus diesem Gedanken belastete mir immer wieder meine Beziehung zu Gott.

Gott als der Aufpasser, der Erbsenzähler, der Buchhalter, der Überwacher, das Eltern-Ich, die Kontrollinstanz, einer oder eine, die oder der dich immer erwischt.

„Der liebe Gott sieht es fei!“ Der Satz ist so fies, weil sein Gebrauch als Erziehungsinstrument eben gerade nicht der hingebenden Liebe Gottes entspricht.

Du bist ein Gott, der mich sieht! (Gen 16,13)“. 
Ein ganzes Jahr Angst haben, gesehen zu werden? 
Gott sei Dank ist der Gott, der mich sieht, nicht Gesetzeshüter, Oberlehrerin oder Besserwisser.
Gott sieht anders. Wie eine liebende Mutter oder ein liebender Vater: eben ohne zu kontrollieren, ohne gleich zu fordern, ohne zu erwarten, heimlich zu analysieren, zu manipulieren oder gar zu drohen, ohne kleinzureden oder zu verzerren, die Wahrheit auszublenden und die Ehrlichkeit schuldig zu bleiben. Gott sucht mit seinem Blick den Platz, den Ort, die Zeit, um seine Liebe in meinem Leben zu entfalten. Jesus hat auf seinem Weg über diese Erde die Menschen so gesehen und angesehen. 

Dass Menschen mit Aufmerksamkeit und Zuwendung angesehen werden, ist ein großes Bedürfnis. Davon leben und verdienen nicht nur die Plattformen im Internet. 

Marina Abramovic hat das 2010 im Museum of Modern Art in New York in ihrer Performance „The Artist Is Present“ eindrucksvoll erlebbar gemacht. Sie nahm sich 90 Tage Zeit um Menschen anzusehen, saß ungeschützt einem leeren Stuhl gegenüber, auf dem Besuchende Platz nehmen konnten.

Die Resonanz war überwältigend. Viele wollten gesehen werden: wortlos, wahrnehmend, intensiv und liebevoll. 

Und berichteten von ihren Erfahrungen: Erstaunen, Glück, Trauer, Hoffnung, Betroffenheit, innere Erregung und Bewegung. Viele weinten. Die Begegnung der Augen und wohl auch der Seele dauerte oft nur wenige Minuten, doch haben manche später berichtet, dass diese Minuten ihr Leben veränderten. 

Ein Ansehen haben, weil mich jemand ansieht.

„Du bist ein Gott, der mich sieht!“ (Gen 16,13)“

Was für ein Glück, das Gott mich in seiner Liebe ansieht. Und weil Gott mich ansieht, auf mich aufpasst, sehe ich mich auch selbst an, achte ich auf mich und sehe ich auch andere an und achte auf sie. 
Ich wünsche mir, dass wir als christliche Gemeinde dabei den Blicken Jesu folgen können: liebevoll annehmend, offen für die Begegnung, um einander wahrzunehmen als Menschen, die eine gemeinsame Zukunft suchen.

Über den Sitzungseinladungen unseres Kirchenvorstands ist zu lesen, wie wir uns diese Zukunft vorstellen: „barrierefrei und hemmungslos erlöst, unbedingt zugewandt, hoffnungsvoll zuversichtlich“. 

„Man sieht nur mit dem Herzen gut!“ So wie Gott uns gut sieht, weil er Liebe ist.

Ich wünsche Ihnen in 2023 viele Momente, in denen Sie gerade in den Herausforderungen so angesehen werden und zu Ansehen kommen, wie einst Hagar in der Wüste von Gott gesehen wurde und der Zöllner Zachäus von Jesus (Lukas 19,1-10).  Und dass Sie selbst Menschen so in die Augen sehen können.

Ihr Stefan Lipfert, Pfarrer

Die Geschichte von Hagar findet sich 1. Mose 16 – https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/GEN.16/1.-Mose-16.

Unter „Marina Abramovic in the MoMA and Ulay“ finden sie bei YouTube ein Video zu der Performance „The Artist Is Present“ von Marina Abramovic - https://www.youtube.com/results?search_query=Marina+Abramovic+in+the%C2%A0MoMA+and+Ulay.

Tageslosung

Tageslosung vom
29.04.2024
4. SONNTAG NACH OSTERN - KANTATE (Singet dem HERRN ein neues Lied! Psalm 98,1)
Erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.
Gott hat Jesus Christus erhöht und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Redaktionsschluss Kiliansbote

Der Redaktionsschluss für den nächsten Kiliansboten ist am 13.05.2024.
Beiträge nimmt bis dahin Tanja Friedrich per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) entgegen.

Spenden

Unterstützen Sie die Arbeit unserer Kirchengemeinde durch Ihre Spende.

Hier online Spenden

Vieles ist in unserer Kirchengemeinde nur möglich, weil sich Ehrenamtliche engagieren. Damit diese genügend Ressourchen zur Verfügung haben, sind auch Gelder notwendig. Mit einer einmaligen Spende oder einem Dauerauftrag können Sie die Vielfalt unserer Kirchengemeinde unterstützen.

Spendenkonto:
Sparkasse Kulmbach-Kronach
IBAN: DE74 7715 0000 0000 2017 15
SWIFT-BIC: BYLADEM1KUB

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.