Liebe Leserin,
lieber Leser,
es gibt einen Sommerschlager, der hält sich nun gefühlt schon gut 370 Jahre lang in den Köpfen und im Herz der Christenheit. Paul Gerhards Sommerlied über die Schönheit und die Freude am Leben zum Lob des Schöpfers:
Geh aus, mein Herz,
und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an
der schönen Gärten Zier
und siehe,
wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.
(das ganze Lied steht im Evangelischen Gesangbuch unter der Nr. 503)
Paul Gerhard besingt in diesem Lied, was im Leben Freude macht und wofür er Gott dankbar ist:
Die satte grüne Farbe des Lebens, die Blütenpracht der Narzissen, der Gesang der Nachtigall, die Freude über den Nachwuchs im Tierreich, der erfrischende Bach, der Fleiß der Bienen und der Genuss von Honig und Wein (von alters her Symbole für das kommende Paradies), eine überfließende Weizenernte, kurzum: Gott meint es gut. Wir sollen um Gottes Willen in der Fülle leben (Joh 10,10).
Paul Gerhard beschreibt das Paradies und ist sich doch bewusst, dass er noch auf „dieser armen Erde“ (Strophe 8) lebt mit ihres „Leibes Joch“ (Str. 9).
Er lebte ja mitten in einer gefallen Welt, die mit den Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges und seinen politischen Wirre zu kämpfen hatte. Mit 12 Jahren verliert er seine Mutter zwei Jahre später stirbt der Vater. Der Alltag ist geprägt von Hunger und Krankheit. Das letzte Jahrhundert der großen Pestepidemien und andere Seuchen setzten der Bevölkerung zu.
Und dennoch: der Glaube von Paul Gerhard findet die Perspektive zur Lebensfreude und zur Zuversicht. Sein Blick wendet sich gerade jetzt in der Sommerzeit dem Guten zu, der Gnade Gottes, der Fülle des Lebens, ja der Lust am Leben und der Hoffnung auf ein fröhliches Herz, das sich von Gott bestärken lässt.
Hilf mir
und segne meinen Geist
mit Segen,
der vom Himmel fleußt,
dass ich dir stetig blühe;
gib,
dass der Sommer deiner Gnad in meiner Seele früh und spat viel Glaubensfrüchte ziehe.
(Strope 13)
Ein wegweisendes Gebet für die kommenden Sommertage, damit wir nicht in einem Jammern auf hohem Niveau versinken, sondern uns dem zuwenden, was die Seele nährt und das Miteinander stärkt.
Wenn ich am Abend im Garten sitze, kann ich verkrümmt in und auf mich selbst darüber nachdenken, wie gerade die Wespen über die Bienen herfallen, die Schnecken den Kohlrabi abfressen, das Gras schneller wächst, als ich Zeit zum Mähen habe, die Ameisen ins Haus eindringen und die Stechmücken auf meinen Armen und Beinen ihr Büfett eröffnen. Und heuer kann ich klagen über zu viel Hitze oder zu viel Regen. Die spielenden Kinder überm Zaun kann ich als „Lärm“quelle ausmachen und den Duft nach Grillgut als Belästigung.
Auch ja, und wenn ich dann über den Friedhof laufe und sehe, dass gerade gemäht wurde, dann kann ich mich wohlfeil darüber beschweren, dass die Hecke noch nicht zurückgeschnitten wurde und jetzt Gras auf dem Weg liegt.
Ja, wir leben in einer gefallenen Welt. Aber nicht nur!
Der Geist und die Seele, die sich wie in Paul Gerhards Lied öffnen für die reiche Welt Gottes, für die Schönheit seiner Schöpfung, für die Resonanz des Lebensglücks, für ein lebendiges Miteinander – diese Seele kommt zum Blühen. Da ist dann Freude über das Leben um mich herum, Zufriedenheit über das Erreichte, Dankbarkeit für alles, was nicht selbstverständlich ist (und das ist viel!) und vielleicht sogar die innere Motivation für eine lebendige Gemeinschaft vor Ort selbst tätig zu werden (Stichwort: „Glaubensfrüchte“).
Für den Sommer wünsche ich ein ausgehendes Herz, das im Schalom wieder heimkehrt, unter dem Segen Gottes, der uns Leben in der Fülle schenkt.
Ihr Stefan Lipfert, Pfarrer