Liebe Leserin, lieber Leser,
Ferien und Urlaub sind vorbei. Fühlen Sie sich noch erholt und ausgeruht? Oder stellt sich gerade in diesem Jahr die Erschöpfung im Alltag sehr schnell wieder ein?
Viele hatten die Hoffnung, im Herbst würde die Welt anders aussehen. Tut sie auch; aber gefühlt eben nicht unbedingt besser als zuvor. Die Enttäuschung ist groß. Der Urlaub war anders als geplant oder fand gar nicht statt. Nun doch Schule mit Gesichtsmaske. Nun doch wieder Corona-Tests, Quarantäne und Infektionswerte, die man schon weit hinter sich sah. Nicht alles was abgesagt wurde, ist auch weg. Vor den Corona-Blues schiebt sich eine Bugwelle von Aufgaben, die aus den letzten Monaten noch nicht erledigt sind. Es gibt Unsicherheit und bisweilen auch Angst, wenn es um die Bewältigung des Alltagslebens geht. Das Gefühl zu kurz zu kommen mit den ganz persönlichen Anliegen und Bedürfnissen stellt sich ein. Es gibt ein Zuviel an Belastung, die Scham aus dem Scheitern, das Verkriechen vor den Bedrängnissen.
Entlastung wäre gut. Nicht noch was drauf packen. Einmal Pause machen. Durchatmen ohne Maske. Die innere Ruhe wieder finden. Nicht nur machen, sonder auch empfangen, Abstand ist angesagt.
Ein heilsamer Abstand von dem, was die Infektion zur Krankheit und zum Tod in sich tragen könnte.
Das sind nicht nur die eineinhalb Meter voneinander. Das ist der Abstand von einer Lebenshaltung die uns unweigerlich nach unten zieht.
Abstand von einer Lebensweise, die im Umgang mit uns selbst, unserem Nächsten und dieser Erde auf Pump und Verschleiß setzt und nicht auf Nachhaltigkeit und Erhalt. Abstand von einer Lebensführung, die uns im Sinne des Wortes „aufarbeitet“, die das Leben in Arbeit, Terminen, Aufgaben, Zahlen, Vorschriften, Meetings, Formularen und „das-muss-ich-auch-noch“ zerreibt und auflöst.
Abstand ist angesagt vom pausenlosen Werkeln, vom Schaffen, vom Machen – so wie Gott selbst Abstand nimmt und sich Ruhe gönnt, eine Pause einlegt, eine heilige Zeit., eine Zeit die ihm gehört, in der er ganz bei sich ist.
Zeit zum Empfangen, zum Auf-Leben, Zeit in der es aufwärts geht, himmelwärts, Gott zugewandt.
Die Kirche und das Kirchenjahr stehen und leben für solche Orte und Zeiten seit Beginn mit den Sonntagen und ihren Gottesdiensten. Erntedankfest zum Beispiel, das wir heuer im Freien in Zultenberg feiern wollen. Gemeinsam innehalten und Gott danken!
Die persönliche Zeit der Stille, das Gebet. Das Glockenläuten um 21 Uhr, dieses Zeitfenster zum Ankern des Lebens. Vor Gott meine Sorgen aussprechen und dankbar auf das sehen, was am Ende des Tages gelungen ist.
Die offene Kilianskirche und die Möglichkeit eine Kerze anzuzünden und sich für einen Moment Gott und seiner Kraft zu öffnen. Am Taufstein stehen und sich gegen alle Angst vergewissern: Gott kennt mich. Meine Situation. Gott kennt meinen Namen, mein Leben. Er ist mir verbunden, in Liebe zugewandt.
Wir brauchen diese heiligen Pausen. Jeder, der unterrichtet oder ein Projekt steuert weiß das aus Erfahrung: Je schwieriger das Vorhaben, desto mehr Pausen muss ich einplanen.
Pausen sind systemrelevant!
Gott hat es in der Schöpfung so angelegt und lehrt es uns in einem Gebot.
Und Gott segnete den siebenten Tag
und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte
von allen seinen Werken,
die Gott geschaffen
und gemacht hatte.Gen 2,3
Abstand ist angesagt.
Pausen sind wichtig.
Ich bin überzeugt, so bleibt die Lebensfreude, die Gott schenken will auch in schwierigen Zeiten gegenwärtig.
Stefan Lipfert, Pfarrer